Sampling


Zur Bildfindung Gerhard Kaisers
von Christiane Krejs


Eigentlich ist Gerhard Kaiser ein Springer zwischen den künstlerischen Medien. Er ist weder einfach Maler noch Objektkünstler. Sein Werk erstreckt sich von der Zeichnung über die Collage zur Fotografie bis hin zu kleinen Installationen. Begleitet werden seine Arbeiten von kurzen schriftlichen Notizen, die er in einem sorgfältig geführten Buch sammelt.
Nicht nur Gedanken werden gesammelt. Gerhard Kaiser sammelt leidenschaftlich patinierte Materialien, Dinge aus dem täglichen Leben: - nichts Wertvolles. Dinge, die nicht mehr gebraucht werden, die aber von der Aura des Zurückgelassenen umgeben sind. Er interessiert sich für Werkstoffe, die auf ihre materialimmanente Bedeutung hin untersucht werden und verweigert bei deren Zusammenstellung jegliche vordergründige inhaltliche Logik. Bewusst überlässt er dem Betrachter, eigene Assoziationen und Bezüge herzustellen.

Er „rettet“ die Dinge, die ihm auffallen, die „ab-fallen“, die „aus der Welt fallen“, deren Zeit und Geschichte, deren Schicksal ablesbar ist und nimmt sie in seinen spezifischen Verwertungsprozess auf. Unnützes, Missliebiges hat die Tendenz oft in die tiefsten Schichten der Archive abzusinken. „Grounding“, der untere Bodensatz, nannte Gerhard Kaiser eine seiner Ausstellungen. Das, was wir gerne verschüttet lassen, wie Sigmund Freud sagt, über das wir „Gras wachsen lassen“, gräbt er aus. Es interessiert ihn, ein Akt der Selektion und kein Akt der Produktion“.(2) Die innige Verbundenheit Gerhard Kaisers mit Marcel Duchamp zieht sich durch sein gesamtes Werk.
Der Künstler hat sich einen eigenen Kosmos erschaffen, aus dem er schöpft. Wie beim Sampling in der Musik nimmt er aus dem Gefundenen Formen, Konturen, Farben und Materialien ab und kontextualisiert sie neu. Sie verschmelzen, ergänzen einander und kehren immer wieder. Gerhard Kaiser ordnet, modifiziert, reduziert, vervielfältigt und bildet Raster, Gitter, Netze und Ornamente, die seine Arbeiten überlagern. Er interessiert sich für Ränder und Kanten, Säume, die ein Ende markieren und den Übergang zum Neuen, Anderen andeuten. Restflächen von ausgeschnittenen Schablonen, Positiv- und Negativformen, Silhouetten, aber auch bearbeitete Fotos von künstlerischen Arbeiten finden sich auf Malereien, Objekten und Collagen. Die wechselseitigen Bezüge zwischen den Arbeiten, Medien und Materialien spiegeln die „Streifgänge“ durch sein Magazin wider. „Fronleichnamsumzug“ nennt er seine Wanderungen, bei denen er sucht, findet, ordnet, ablagert, um manches aufzunehmen und anderes wieder zu vergessen.
Gerhard Kaiser hat sich mit seiner Kunst auf Spurensuche begeben. Er geht nüchtern und pragmatisch den effizientesten Weg, belässt aber seinen Werken einen Hauch von spielerischer Improvisation. Das Streben nach Ordnung und Reduktion führt ihn konsequent vom gegenständlichen Ausgangsmaterial zu abstrakten Grundformen und endlich auch in seiner Malerei zur Beschränkung auf eine reduzierte Farbpalette. Er währt sich gegen alles Malerische, Expressive, bricht dort ab, wo er fürchtet „geschmäcklerisch“ zu werden und sucht neue Pfade. Da kommt ihm gerade recht, dass er in seinem Magazin auf bedrucktes Offsetmaterial stößt. Er verwendet es als Bildträger, faltet es und steckt es in transparente Folien. Mit Folien oder dicken Lackschichten, scheint der Künstler seinen Arbeiten eine „Schutzschicht“ zu geben, um ihnen ihre Einzigartigkeit, ihre Aura zu bewahren und sie vor eindringlichen Blicken zu schützen. Fotos aus seiner Bildbörse klebt er auf grellbunt lackiertes Plexiglas. Mit der Verwendung von PU Schaum bezieht der Künstler die dritte Dimension in das Bild ein und arrangiert seine Bildobjekte in penibler Ordnung, wohl durchdacht an der Wand.
Das Konzentrat des künstlerischen Denkens von Gerhard Kaiser findet sich in seiner Malerei. Oft sind Zeichnungen und Papierarbeiten Vorstudien für seine Gemälde. Sie entstehen in Serien, die als „Ensembles“ oder „Sets“ bezeichnet werden. Tagebuchartig listen sie auf, was dem Künstler so untergekommen ist, wenn er sich nur wenige Male aus seiner vertrauten Atelier-Umgebung in die Welt hinauswagt, etwa nach New York: Schnipsel von Fotografien, Ausschnitte aus alten Modezeitschriften, Haarbüschel, Klebestreifen, dicke Lackpatzen, Folienstücke in Folien und immer wieder Folien. Anordnungen und Formen entstehen, die sich auf den Gemälden teilweise wiederfinden.
Unzählige Malschichten auf seinen Bildern verdecken, was sich angesammelt hat. Der Künstler überlagert, spielt mit dem Dahinter und Davor, sodass zeitweise die Illusion von Tiefe, ja von Räumlichkeit entsteht. Die mehrfach deutbaren Vorhangstrukturen verschleiern und tarnen. Gerhard Kaiser verhängt, abstrahiert und konserviert auf der Leinwand, was ihm „heilig“ ist, was er nicht preisgeben will. Aufgemalte Schablonenstrukturen, Strickmuster, Netze und Gitter geben Einblicke frei, verhindern aber gleichzeitig jegliches Eintauchen in eine gegenständliche Darstellungswelt.
Mit der Malerei gewinnt Gerhard Kaiser Abstand. „Die Leinwand“ meint er, „macht viel Arbeit“, aber sie schafft ihm Distanz. Dann kann er einen thematischen Abschluss finden und neue Spuren aufsuchen.

 

 

1 „Der Poststrukturalismus denkt sowohl in differenten Vielheiten wie in Zusammenhängen. Das dabei entstehende Bild von Einheit und Vielheit ordnet die Vielheit der Einheit nicht identitätslogisch unter bzw. sie verfällt nicht in bloß nominalistische Opposition, die nichts am Baumschema … ändert. Vielmehr verweben sich Einheit und Vielheit ineinander und weder existiert das eine vor oder über dem anderen noch hebt das eine das andere auf. Keines gibt es ohne das andere.“ Gabriel Kuhn (2005): Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden. Eine Einführung in die politische Philosophie des Poststrukturalismus, S. 63

2 Boris Groys (2003): Topologie der Kunst, S 11

A.Schantl L.Kogler J.Rössl M.Rennhofer O.Rychlik Rychlik+Krumpl W.Hilger W.Pauser J.P.Hodin M.Wagner W.Stelzer N.Pernod H.Knack Ch.Krejs F.Steininger

M.Wagner III Carl Aigner Alexandra Schantl Oswald Oberhuber Günter Oberhollenzer Michaela Seiser