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Gerhard Kaiser denkt radikal.
Er tat dies immer schon in seinen Arbeiten, die seit den achtziger Jahren beinahe jährlich einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden und sich langsam, aber stetig an jene Botschaften herantasten, die ihm wichtig zu sein scheinen: daß das Werk sich aus seinen Elementen erklären könne und daß der Umgang mit diesen Elementen keineswegs ästhetisierend verstanden werden müsse, sondern ebenso ent-rohend, brutal, schonungslos, nur es selbst. Dabei ging es ihm, so scheint mir, wenigstens niemals um die Isolation des einzelnen Bestandteiles, nicht um seine gedachte Lösung aus dem Zusammenhang, sondern um die Verflechtung, die zufällige, willkürliche, aber auch die konstruierte, gedachte. Daher wird er nie zum Mini-malisten, der sich quasi hinter die Idee selbst zurückzieht, auch nicht zum Spurenleger oder dem, der sich zum Herold des Verschwindens erklärt. Genau im Gegenteil: Seine Objekte sind da, patzig, stolz, raumbestimmend und flächendominant, unübersehbar und für jede Irritation gut. Vielleicht hat er sich genau deshalb die Kunststoff-Folie als Träger, Sammler, Behältnis oder auch nur als Versatzstück geholt, weil sie den Kunstbeschauer verunsichert: ohne Ecken und Kanten, ohne Öffnung und Verschluß, ohne Dreidimensionalität, die in Geometrie erklärbar, ohne Erinnerung an historische Vorformulierung, einmal transparent, dann wieder nicht, jederzeit biegbar, und was sie birgt, nach ihrem Willen abzuhandeln. Die Formate sprengt sie und die Tiefen, den alten Rahmenvorsatz und die neue Plastizität, sie ist Fiktion und auch wieder keine, Dreck und Schutz zugleich. Die Folie ärgert einen, weil sie den Blick auf das vermeintlich Wahre - die Substanz - verschleiert, Faltengebirge dazwischenwirft und Spiegelungen, oder Ecken ausmacht, wo keine sein sollen, Formate erzeugt, die man längst als andere rezipiert, oder Dominanzen hervorruft, derer man sich schon entledigt hat. Die Folien machen billig, was einem als Thema kostbar erschien, sind nicht Verpackungshüllen, sondern Irritationsschübe, zwingen das Licht in andere Bahnen und zwängen die Amorphie in unser Hirn, wo wir die Gerade vermuten wollten. Letztlich schwimmen die Gegenstände weg oder was wir dafür halten, verkrümeln sich ins Formlose, auch wenn sie genietet scheinen, und zeigen bei allem Bemühen zum Rechteck, daß dies immer nur gedacht sein kann, realiter nicht zutrifft. Diese Arbeiten des Gerhard Kaiser sind ein Angriff auf unsere Sehgewohnheiten, die Devastierung der Bildformate im Hirn, der Zwang zum Abschied auch von dem. was wir aerade als die zeitaenössische
Malerei mühsam erlernten: die Priorität der Formate, die Räumlichkeit zweidimensionaler Unternehmungen, das Spielen mit den Nuancen, die Vorgabe schattenwerfender Objekte, die nur gemalte waren. Es geht ihm gar nicht um Grenzen, zumindest keine ablesbaren, es geht ihm auch gar nicht um Widerstände, es geht ihm um Zufälligkeiten und Spiele, die mit ihren Grundstoffen das gesamte Sehen verändern und das Bewußtsein von der Malerei und die Sicherheit, zeitgenössisch zu sein. Kaiser läßt schon einiges übrig, das wir kennen: Farbe, manchmal Ränder, Gegenstandsapplikationen, viel auch aus dem, was er wahrscheinlich vom Kubismus lernte: die Durchdringung der Flächen, den Bezug aufeinander, das Nach-vorne- oder Nach-hinten-Stellen, den Einbau in die Struktur von dem, was man vormals Bild nannte. Aber gleichzeitig zerstört er mit seiner Folienstruktur die Sicherheit des Gehabten, das schnelle Aha-Erlebnis oder auch die überlegte Deutung. Er läßt sich nicht in die Karten schauen, wohin es denn läuft, und er gibt dem Beschauer auch wenig zur Selbstbestimmung vor. Statt dessen tut jedes einzelne Objekt so, als formiere es sich selber - möglicherweise neu -, als sei der Prozeß der Amorphie noch nicht genügend abgeschlossen, als würde eine formale Korrektur jederzeit möglich sein, als käme noch ins Spiel, was längst abgehakt. In Wirklichkeit kann man sich - man drehe und wende, wie man es will - nicht einmal sicher sein, ob überhaupt noch etwas ins Spiel kommt. „Offen" bedeutet daher nicht einmal „vielleicht". Die Lösung heißt: schauen. Nur schauen. (Prof. Dr. Manfred Wagner)
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Gerhard Kaiser ist Angehöriger einer Generation,
die es nicht leicht hat. Ihr ist auf Grund ihrer Kenntnisse verwehrt, sich in formalem Fortschritt von den Vorgängen vor ihnen abzusetzen, und sie glaubt nicht mehr an das Primat des Inhaltlichen, das noch eine politisch dominierte Studentengeneration von 1968 prägte.
Auf diesem schmalen Grat zwischen Inhaltsskrupel und formaler Breite bewegt sich Kaiser mit erstaunlicher Sicherheit. Sein Thema ist die Reduktion und Disziplin. Dabei haben ihm zweifellos jene Arbeitsvorgänge um sein Diplom geholfen, als er nämlich zu Trakl-Texten assoziative Bildkompositionen erfand, ohne in billige Illustrationen zu verfallen. Diese Kompositionen sind weder dekorativ, noch illustrativ, ja nicht einmal kontrapunktisch angelegt. Sie sind einfach Reduzierungen auf einen wesentlichen Aspekt des betreffenden Textes, nicht erzählend-linear, sondern emotional-punktuell. Kaiser fängt nicht die Stimmung der Texte ein, sondern eine Stimmung eines Textaspektes, und zwingt diesen mit Hilfe seiner Disziplin in den Rahmen der Formate. Von hier aus gesehen ist der Weg zu den textlosen Kompositionen, die nur manchmal richtungsweisende Stichwörter, -zeichen aufweisen, nicht weit. Sie alle sind ebensowenig narrativ wie die Trakl-Kompositionen, auch wenn sie verständlich bleiben oder so aussähen, als hätten sie Botschaften zu vermitteln.
Der Terminus „Spur", als Titelhilfe verdächtig oft verwendet, bedeutet eher Kaisers inneren Weg bis zur festgelegten Norm als die Nachvollziehbarkeit anhand des Materials. „Spur" deutet auch auf Kaisers Skrupel zu Aussage hin, auf Unsicherheit oder Bescheidenheit in der Erreichung seines Ziels. Die formalen Möglichkeiten dazu hat ihm die Kunstgeschichte vermittelt: Picasso wohl, sein Lehrer Oberhuber, der Reduktionismus, Duchamp und Klee und Beuys. Kaiser schämt sich seiner Väter nicht, weil er klug genug der Originalität des Formalen nicht nachläuft, sondern ihre Bausteine benutzt, zusammensetzt, neu kombiniert. Damit vermitteln die Bilder Beherrschung, nicht nur des Handwerks, sondern auch Wissen um seine historische Position, Stellungsbezug zu dem, was vorher war, um seine eigene Zukunft zu erreichen. Gemeinsam ist — trotz aller Anliegen — die Konsequenz der Durchführung, die Disziplinierung und das Bemühen um Kommunikation. Seine Bilder sind einfach im letzten auf interessierte Menschen ausgerichtet und heftig in dem Bemühen, ihnen sekundenlang zu verstehen zu geben, was ihn selbst, den Autor, bewegt. Er erreicht wahrscheinlich gerade mit dieser Disziplin die Aufmerksamkeit des Betrachters, zwingt ihn, mit der Kargheit der Mittel fertigzuwerden, vermittelt ihm wahrscheinlich ein Gefühl von Herbheit, Bitterkeit, von Armut ohne Sentiment, von eisiger Klarheit. Arte povera wird hier wörtlich genommen, nicht projiziert, sondern an sich selbst geprüft, vollzogen. Die Interpretation der einzelnen Bilder ist nicht dem Anschauenden überlassen, sondern steht neben dem Ausdruck, deckt sich manchmal mit diesem. Für phantasievolle Spielräume der Gedanken bleibt kein Platz, nicht einmal beim Akt, nicht beim Objekt, auch nicht bei der Collage. Die karge Dürre, gewonnen aus der kalten Exaktheit, ist gleichzeitig die Definition für Produkt und die Möglichkeiten seiner Rezeption.
Gerhard Kaiser hat man in den Momentaufnahmen seiner Stimmungen, in den Themenstellungen zu folgen, sonst gar nichts.
Prof.Dr.Manfred Wagner
(Rektorstellvertreter der Hochschule für angewandte Kunst, Wien)
A.Schantl L.Kogler J.Rössl M.Rennhofer O.Rychlik Rychlik+Krumpl W.Hilger W.Pauser J.P.Hodin M.Wagner W.Stelzer N.Pernod H.Knack Ch.Krejs F.Steininger
M.Wagner III Carl Aigner Alexandra Schantl II Oswald Oberhuber Günter Oberhollenzer Michaela Seiser Lucas Gehrmann Alexandra Schantl III Gerhard Kaiser I Gerhard Kaiser II