Maria Rennhofer über Gerhard Kaiser

Erschienen im Parnass Heft/2 1995

 

Ein Firmengelände im niederösterreichischen Enzesfeld, ein Industriebau mit weitläufigem Stiegenhaus, ein langer Gang im ersten Stock, eine großzügige Zimmerflucht: Das 50er- Jahre-Ambiente mit dem diskreten Charme abgewohnter Schulen und Kasernen bietet geradezu ideale Bedingungen für ein Künstleratelier. Hier hat sich Gerhard Kaiser niedergelassen. Eine gelungene auf unpretentiöse Weise funktionierende Symbiose zwischen Wirtschaft und Kunst findet hier statt: Die Enzesfeld-Caro Buntmetallwerke AG, Besitzer des Areals, stellt die nicht mehr benötigten Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung und bekundet auch Interesse für die Arbeit des Künstlers: Aus einer Liste in Frage kommender Mitarbeiter darf sich jährlich einer ein Werk für seinen Arbeitsraum aussuchen, Kunst anstelle der Miete. Wie in einer ordentlichen Kleiderreinigung, fein säuberlich auf Bügeln aufgehängt, mit Plastikfolie geschützt und auf  einem Foto dokumentiert, präsentiert sich gleich im ersten Raum ein Teil von Gerhard Kaisers Arbeiten aus den letzten Jahren. Die meisten davon sind dreidimensionale Objekte, deren wichtigstes Material transparente Kunststoffolie ist. Begonnen hat der heute 40jährige Oberhuber - Schüler zunächst mit der Malerei. Die Unbefriedigung über die flächige Beschränkung der Bilder hatte schließlich zum Material Kunststoff geführt, das alle Elemente, die Kaiser teils unbewußt suchte, auf ideale Weise beinhaltet: Die transparente Folie ist selbst Fläche und löst diese zugleich auf. Aufgenietet oder eingeschweißt, erzeugt sie mit Spiegelungen und Reflexen optische Eindrücke, ohne die Referenz auf das Dahinterliegende zu  vernachlässigen. Draufsicht und Durchsicht verschmelzen. Und das hinter der Oberfläche Sichtbare läßt sich als vielfältige Antwort auf Kaisers ästhetische, inhaltliche - also künstlerische Ansprüche entziffern. Dazu kommt eine Art emotionaler Haßliebe  zu diesem Material, das so zeittypisch ist und in seiner Unvernichtbarkeit konsumkritische und ökologische Anspielungen nahelegt. Als Behältnisse können diese Folienschreine, Foliensarkophage, Folienguckkästen unterschiedliche Inhalte bergen: Kaiser arbeitet mit Lack und Leim, bringt Farbe und Licht ein und greift vor allem immer wieder auf bereits existierende Bilder zurück, die, aus dem Zusammenhang gerissen, ungewöhnliche Anstöße vermitteln. Dies sind vorwiegend Relikte, Überbleibsel aus der Druck- und Reprotechnik. All das steht im Zusammenhang mit der Distanzierung von der eigenen Malerei: Kaiser sieht sich im Alltag von einer Bilderflut umgeben, die jegliche Sinnhaftigkeit von neuerlicher Bilderproduktion ad absurdum führt. Das Bild an sich interessiert ihn hingegen noch immer, gerade in der bedeutungslos gewordenen Überfülle von Abfallmaterial, wie es in Druckereien in Form von Reprofilmen und Gummitüchern oder in Fotostudios als Check-Polaroid für Einstellung und Beleuchtung anfällt. Die Gummitücher aus dem Offsetdruck sind eines der neueren Materialien, die Gerhard Kaiser für sich entdeckt hat. Er faltet die schweren, weichen Matten und arrangiert sie zu trägen Skulpturen, deren Dichte, dunkle Materialität einen interessanten Kontrast zu den scheinbar schwerelosen Folienobjekten bildet. Da wie dort scheint das erkennbare Bild bedeutungslos und evoziert doch durch seine sinnlich erfassbare Realität eine eigene Aura, die allein durch Farbe und Form – ganz abgesehen von erkennbaren und bewusst platzierten Portraits – Gefühle ansprechen und Assoziationen wecken kann. Reduktion und Radikalität sind Gerhard Kaisers oberste Prinzipien, und dennoch läßt er sich genug Spielraum, um seinen Folien durch unterschiedliche Behandlung faszinierende Effekte zu verleihen. Egal, wie weit er den Raum beansprucht – von wenigen Zentimetern bei den flachen Wandobjekten bis zu veritablen Schachteln, Quadern und Stelen: es ist immer wieder das Spiel mit Projektionen und optischen Täuschungen, das fasziniert. Der Gefahr, ins Geschmäcklerische abzurutschen, weiß sich Kaiser klar zu widersetzen. Der Titel „Bilder verbringen“, den Gerhard Kaiser seiner Ausstellung in der Badener Galerie Menotti gegeben hat, ist absichtlich mehrdeutig zu verstehen: Er betrifft die Zeit, die mit der Entstehung der „Bilder“ verbracht wird, die Transformation, der die Bilder (als Ausgangsmaterial) in Arbeitsprozeß unterzogen werden; und vielleicht auch das „Verbringen“ der Bilder aus dem Enzesfelder Atelier in die Galerie. Wer Gelegenheit hat, dieses Atelier zu besuchen, wird umso mehr von Gerhard Kaisers Gedankenwelt verstehen.

Dr.Maria Rennhofer

A.Schantl L.Kogler J.Rössl M.Rennhofer O.Rychlik Rychlik+Krumpl W.Hilger W.Pauser J.P.Hodin M.Wagner W.Stelzer N.Pernod H.Knack Ch.Krejs F.Steininger

M.Wagner III Carl Aigner Alexandra Schantl II Oswald Oberhuber Günter Oberhollenzer Michaela Seiser Lucas Gehrmann Alexandra Schantl III Gerhard Kaiser I Gerhard Kaiser II