Sampling
Zu Gerhard Kaiser
Manfred Wagner
Für jemanden, der das Werk des Künstlers Gerhard Kaiser seit dessen Studienanfängen aufmerksam verfolgt hat, ist faszinierend, welchen Weg der Konsequenz, des Bleibens bei sich selbst in einer ungewöhnlichen Einheit von Leben und Werk der nunmehr knapp 60Jährige beschritten hat. Das Verhältnis von Leben und Werk ist in jedem Fall kompliziert und die Beschreibung gelingt grosso modo eigentlich nur in der Momentaufnahme der Korrelation eines Werkes oder einer Werkserie mit einer bestimmten Lebensphase, meistens schon gar nicht mehr in Bezug auf Werkgattungen oder gar auf das ganze bisherige Leben. Was hat Kaiser denn bewogen, auch die typisch österreichisch übliche äußere Expression in Farbe und Rahmenbild kurzfristig zu streifen, die auch den guten Kennern seines Werkes eher verborgen blieb? War es das Schielen auf den Markt oder der Eindruck einer spezifischen Ausstellung, war es das Nachahmen seiner Vorbilder oder, für einen Moment seine Linie vergessen zu wollen, oder sich dem Farbrausch einmal willfährig hinzugeben? Diese Frage klären zu können, müssten Detailstudien, kunsthistorisch motivierte Dissertationen bemüht werden, die aber nichts, schon gar nichts an der Realität des Künstlerstatus von Gerhard Kaiser ändern würden. Nein, was für ihn relevant ist und die persönliche Koinzidenz von Sammler und Künstler mühelos erklärt, sind wahrscheinlich wie so oft in der Biografik von Künstlern, seine Kindheitserfahrungen, die in der Regel von den Kunsthistorikern nicht aufgearbeitet werden, weil die Quellen zu verschüttet sind, die psychologischen Kenntnisse fehlen, die frühen Gestaltungsversuche aus welchen Gründen auch immer unbekannt bleiben.
Gerhard Kaiser hat seine Sammlung vom Hausrat der Großeltern und Eltern, jedenfalls früheren Generationen, begonnen und dann beliebig weitergeführt, als Hauptargument für seine Arbeitsweisen angelegt. Seine Faszination gilt dem, was verborgen ist, was im Schatten liegt, was einerseits Geheimnis und schwer Durchschaubares bedeutet, andererseits aber auch Rückzug und Schutz verheißt. Deswegen kam es zur Entstehung der Plastikplastiken, wodurch das Material samt Durchscheinung und die auf ihm vollzogene Bedruckung räumliche Charaktere evozieren. Das Ausufern des Sehens wurde dadurch eben so verlangt wie in allen Arbeiten Gerhard Kaisers.
Es ist logisch, dass er vom Strich, der ersten Kindheitserfahrung der Gestaltung, der Zeichnung, ausgeht, sie deswegen in seinen Werken präsent ist, ob man sie sieht oder nicht. Ebenso wird das Verhältnis von der Gefrorenheit des Textes und der Spontaneität des Bildes von ihm diskutiert. Das entsteht weniger aus der konsequenten Weiterverfolgung der künstlerischen Vorgaben des 20. Jahrhunderts, sondern aus der eigen gemachten Erfahrung des Nebeneinanders von Text und Bild im Alltag. Bei aufmerksamer Betrachtung dieser alltäglichen Erfahrung muss sie auf einen wirken, und kann keine Verweigerung oder Ausschluss vorsehen. Daher erklärt sich auch immer wieder die Präsenz von Tierbildern oder -zeichen, nicht nur in der Erinnerung an die eigene Sozialisation in der frühkindlichen Erfahrung, sondern auch an seine unmittelbare Umgebung in der privaten Abgeschottetheit heute.
Die Signalfarben, die bei ihm manchmal grell aufblitzen, könnten eine Zeichen dafür sein, dass er der expressionistischen Farbe zutiefst misstraut, sie als Kriterium der Konsumwelt versteht, der er ohnehin nur kritisch gegenüberstehen kann, weil sie das langsame Sehen, sein gefordertes Durchschauen verhindert und zu jener Verschnellerung beiträgt, die unsere gestörten Sehweisen zu einer nahezu visuellen Blindheit hinführt.
Das heißt nicht eine Absage an die modernen Ergebnisse von Computerscan und Siebdruck, ist nicht ein Dementi des ornamentalen Musters, auch wenn Ornament hier möglicherweise als Ausdruck permanenten Wiederholens bis zu Unschärfe verstanden wird.
Die Aufgabe der Schule des Sehens heißt bei ihm die Beibehaltung der alten Idee des Verborgenen, das nur durch langes Betrachten, wenn überhaupt erhellt werden kann. Dieses Bestehen auf der Verdichtung durch „Patina“, wie Kaiser dies nennt, führt auch den Künstler zu langen Entstehungswegen. Zielsetzung ist aber keine Symbiose, wie manche meinen, sondern eher die Dokumentation einer Allianz oder biologisch gesprochen „Protokooperation“, wo die beteiligten Vorgänge, radikal formuliert auch unabhängig voneinander passieren können. Ein Aspekt dieser Unabhängigkeit bleibt jedenfalls auch in der Totale bewahrt.
Gerhard Kaiser konnte, vermutlich mit großer Energie und Verzicht auf bequemen Erfolg, bislang seine Vorstellungen von Kunsterschaffung durchsetzen. Die Ergebnisse sind nicht nur Lehrbeispiele für langsames Sehen, also für die Verlangsamung der Schauweisen, sondern auch die gesellschaftspolitisch wichtige Absage an visuellem Konsum, also an Konsum überhaupt mit allen seinen Begleiterscheinungen, was vermutlich den bequemlich verwöhnten Vernissagen Besucher irritieren muss. Seine Konsequenz in der Integration von Kunst und Leben in seiner persönlichen Existenz, seine Zurückgezogenheit irgendwo an der Peripherie im Kreis seiner Familie lassen ihn diesen Zustand erhalten. Daraus ist meiner Ansicht auch die Fruchtbarkeit seines Werkausstoßes zu erklären, weil jeder Bezug auf die Endlichkeit zu den Anfängen seines Sehens im Kindesalter zurückweist. Das bedeutet nicht nur Individualität, sondern auch Identität und wirkliche Kohärenz von Leben und Werk.
A.Schantl L.Kogler J.Rössl M.Rennhofer O.Rychlik Rychlik+Krumpl W.Hilger W.Pauser J.P.Hodin M.Wagner W.Stelzer N.Pernod H.Knack Ch.Krejs F.Steininger
M.Wagner III Carl Aigner Alexandra Schantl II Oswald Oberhuber Günter Oberhollenzer Michaela Seiser Lucas Gehrmann Alexandra Schantl III Gerhard Kaiser I Gerhard Kaiser II