A.Schantl L.Kogler J.Rössl M.Rennhofer O.Rychlik Rychlik+Krumpl W.Hilger W.Pauser J.P.Hodin M.Wagner W.Stelzer N.Pernod H.Knack Ch.Krejs F.Steininger
M.Wagner III Carl Aigner Alexandra Schantl II Oswald Oberhuber Günter Oberhollenzer Michaela Seiser Lucas Gehrmann Alexandra Schantl III Gerhard Kaiser I Gerhard Kaiser II
Gerhard KAISER = * 1955
Niederösterreich
Manfred WAKOLBINGER = * 1952 Oberösterreich;
Titel der Ausstellung
MENAGE –das Wort selbst kommt aus dem Lateinischen
mansio = Wohnung
und im Französischen steht
es für ménage = Haushalt.
Die Arbeiten der beiden Künstler siedeln sich hier also in den schönen
Galerieräumen des Kunstraumes ARCADE
an und gegen eine Beziehung miteinander ein. Man kennt MENAGE A TROIS, die
Dreierbeziehung, aber letztlich passiert auch das gerade hier; wir als
Betrachter sind der dritte Teil, die Beobachter, Analysten und somit Teil
dieser Beziehung.
Aber was verbindet die Künstler? Was trennt sie?
Am ersten Blick
erscheinen sie sehr gegensätzlich – hier das
klassische Material Kupfer und Glas bei Manfred Wakolbinger, dort das
Material Kunststoff, Folie, Kunstharz, alles andere als klassisch. Aber
sind die Positionen tatsächlich so gegensätzlich?
Beide sind Sammler, Sammler von Eindrücken, Geschichten, Bilder und
Fragen, getrieben von der menschlichen Neugier, die dann ganz individuell
ausgewertet werden.
Der Blick von
Manfred Wakolbinger richtete sich
seit Kindheitstagen nach außen und nach oben. Er war vom ersten Satelliten
Sputnik fasziniert und wollte und
will wissen, wie weit der Einfluss
der Menschen reicht. Manfred ist als
Autodidakt in erster Linie
Bildhauer, Plastiker. Er sammelte seine ersten Erfahrungen in der
Werkzeugbearbeitung und im
Werkzeugbau und auch wenn er ab den 1980-iger Jahren angefangen hatte,
seine eigenen Ideen und Skulpturen zu entwickeln, so hat er
die technische Komponente nie
aufgegeben. Seine Gebilde sind
genau konstruiert, sind gebaut. Er ist also Plastiker der aus seinem
favorisierten Material seine Plastiken kreiert.
Anfangs waren das
monolithisch wirkende Skulpturen
die mit Ihrer rauen, betonartigen
Oberfläche fast hermetisch abgeschlossen waren.
Schon hier ist das
Thema des Sockels deutlich zu
sehen, dass in der Kunstgeschichte
des 20 Jhdt. von Rodin zelebriert und von
Brancusi fortgeführt wurde bis
Künstler wie Giacometti den Sockel
bis zur Plinthe reduzierten oder in der Figur auflösten.
In der
zweiten Hälfte des 20 Jhdt. waren
Künstler beim Thema Sockel
zurückhaltend bzw. ablehnend und
überließen das Feld den Galerien und Museen. Die
Kunst, die Arbeiten mussten
ohne die Erhebung bestehen können.
Dieses
Sockel-Thema hat Manfred
Wakolbinger aber von Anfang auch zu seinem gemacht. So bildeten die ersten
Arbeiten ab den späteren 1980-iger
Jahren Betonformen aus, deren
Außenhüllen Sockel und Plastik in einem waren. Dort stehen
Kupferfiguren auf spezifisch
geformten Betonkörpern und bilden eine Einheit.
Im nächsten Schritt
lässt Manfred Wakolbinger seine
Kupfer-Plastiken in den Sockel sinken. Im Inneren entwickelten sich
in diesen Blöcken dann Räume die im
Gegensatz zur kühlen
Außenhülle mit warmem, rotorangem
Kupferblech ausgestaltet sind. Das kann man als intellektuelle Idee
interpretieren, aber aus meiner Sicht ist das mehr.
Je tiefer die Kupferplastiken in den Sockel rutschen, desto mehr
entsteht eine Umkehr und der Betrachter wird aufgefordert das Innere
einzusehen. Diese Innenwelt ist
meist organischer, verspielter
und verwirrender wie die schlichte äußere Form.
Manfred Wakolbinger dreht den Spieß
um und verändert den Außenblick
auf einen Innenblick.
Und hier sehe ich schon
die erste Parallele zu Gerhard Kaiser Arbeiten.
Auch
Gerhard Kaiser fokussiert zuerst nach
innen und in seine unmittelbare Umgebung. Seine
Aufmerksamkeit gilt den Dingen, die
immer da sind und uns umgegeben, aber die aufgrund Ihrer Unbedeutendheit
aus dem Fokus geraten. Gerhard
Kaiser, gelernter Typograf,
studiert von 1975 -1980 Malerei und
Grafik an der Angewandten in Wien unter
Oswald Oberhuber. Einige
frühe auf der Hochschule entstandene
Arbeiten sind Fotoarbeiten, wo er
zum Beispiel nur mit dem Entwickler
auf dem teilweise unbelichteten Fotopapier malt. Er geht
bewusst einen entgegengesetzten Weg
und experimentiert mit dem Material
und dem Bildträger. In einer anderen Serie von
Fotoarbeiten, die als
„Verletzungen“ bezeichnet sind, werden die Beschichtungen des
Fotopapiers eben „verletzt, verändert, deformiert“.
Hier beginnt Gerhard Kaiser bereits
mit einer Dekonstruktion, einer
Zerlegung unserer gewohnten Bildwahrnehmung. Mittels spezifischer
Arbeitsprozesse werden Bilder
zerlegt, um an ihr Innerstes, an
Ihr Wesen zu gelangen. Auch Gerhard
Kaiser hinterfragt Sehgewohnheiten
und nach dem Studienabschluss und einer Phase „wilder“ Malerei, die ich als
klassischer bezeichnen möchte, entstehen Arbeiten, sogenannte
Materialbilder, wo Malerei teilweise
durch Material ersetzt ist. Hier fließen Ideen von
DADA bis Magritte ein, wo plötzlich dann auch zum Beispiel die
Rückseiten der Bilder die Vorderseite
darstellen. Somit hinterfragt er
gängige Systeme und Sehgewohnheiten,
dreht diese um und eröffnet neue
Perspektiven.
Parallel sammelt
Gerhard Kaiser jede Art von Bilder,
Fotos, Röntgenfolien, alte Zeitungsausschnitte, Tapeten, Rollos,
entsorgte Gegenstände wie Möbel, kaputte Keramiken usw.. Er
er-sammelt sich ein physisches
Bildarchiv, dass er verdichtet, verändert, neu ordnet, umstrukturiert und speichert. Aus
diesem Bildarchiv erarbeitet er
sich seine Ideen und er
hinterfragt somit permanent das
Wesen der Bilder.
Kaiser entdeckt für
sich ab 1990 die ausgemusterten
Gummitücher aus den Druckereien, die
Überträger von Bild- und Schriftdaten
für Werbebroschüren sind und die Lithosteine ersetzen. Jeder
Druckvorgang hinterlässt Spuren am Gummituch und jede zusätzliche
Druckschicht erhöht die Anzahl der
Spuren und Information des Materials. Genau
das ist es was Gerhard Kaiser fasziniert. In diesen Materialien ist bereits eine
Unmenge an Bildern abgespeichert, das
Bildmaterial ist analog auf die Tücher „geladen“.
Am Ende des
Lebenszyklyses werden die Gummitücher entsorgt und dann beginnen sie bei
Gerhard Kaiser ein neues Leben.
Spätestens hier wird das Werk
von Gerhard Kaiser plastisch,
räumlich.
Die
Gummitücher werden gefaltet,
gestapelt, geschnitten und in Bild und Informationsobjekte verwandelt.
Auf den ersten Blick erkennt man nur schwarze
geometrische und organische Körper,
aber beim zweiten, genaueren Blick
erspürt man dann plötzlich die Druckspuren und die Bilddaten. Die
Spuren sind wie eine
Haut aufgedruckt und zeigen die Abnutzungen
und Verletzungen des Bildüberträgers.
Und auch hier erkenne
ich eine weitere Parallele zu den
Arbeiten von Manfred Wakolbinger.
Waren viele der frühen Kupferarbeiten
sehr sauber und exakt gelötet, so werden
ab ca. 2005 vermehrt auch die Arbeitsspuren auf den Arbeiten
belassen. Sie werden Teil der Plastiken, die sich zunehmend auch mehr und mehr von geometrischen Körpern in Figuren
verwandeln. Diese Figuren bekommen durch Ihre Ausgestaltung und eben
auch durch die individuellen
Arbeitsspuren einen Charakter. Sie
verlassen Ihre Sockel und
Glasbehausungen und werden
eigenständige Persönlichkeiten. Manfred Wakolbinger
nennt sie jetzt auch
nicht mehr nach Ihren Baumaterialien
Beton, Glas, Kupfer, sondern sie werden als
PLACEMENTS in
reale und teilweise in virtuelle Räume gestellt. Sie bekommen
als TRAVELLER Beine, werden
große, teilweise riesige Aliens und
gehen als außentaugliche Edelstahlfiguren in alle Himmelsrichtungen der
Welt, wie Ihr Schöpfer, der ab dem
Jahr 2000 mit dem Tauchen beginnt und für sich einen
neuen Raum erschließt.
Das
Weltall mag für unsere Generation
noch zu weit entfernt sein, aber
die Ozeane liegen vor uns und
stellen eine kaum erforschte
Dimension dar. Manfred Wakolbinger
entdeckt für sich
als Bildhauer das Meer und seine
Tiefe als einen völlig neuen Raum, mit einem ebenso neuartigen
Raumgefühl. Das Ein- und Ausatmen
als wesentlichstes Element beim
Tauchen wird einem in der Tiefe plötzlich bewusst. Unsichtbares wie
unsere Atemluft bekommt plötzlich eine
dreidimensionale Form von Luftblasen
und Luftschlieren. Das Tauchen in größere Tiefen zwingt einen zur
Dekompression, wo der Stickstoff
im Blut wieder kontinuierlich abgeatmet werden muss. Manfred Wakolbinger
nützt diese Dekompressionsphasen und entdeckt die
Schönheit der aufsteigenden
Luftblasen, die er als organische
Gebilde fotografisch festhält. Das
Schwebende und Gleitende findet
sich dadurch auch in seiner Arbeit ein und
vermutlich sind auch die
Kopfausbildungen bei den großen
Plastiken, die Manfred Wakolbinger ab 2012 als FORCES bezeichnet und die
teilweise wie Schlangen aussehen, auf diese Unterwassereindrücke zurück zu
führen. Darüber hinaus entdeckt Manfred Wakolbinger beim
Nachttauchen vor der
indonesischen Insel Sulawesi die
Welt der Salpen, eine glasartige
Untergruppe der Cordatiere,
„Rückgratler“, wie es auch wir Menschen sind. Der Körper dieser fast
transparenten Tiere ist ein hufeisenförmiger oder ringförmiges
Muskelband, das als Kiemendarm
bezeichnet wird. Durch Kontraktion des Kiemendarms filtern diese Tiere, die
nachts aus mehreren hundert Metern Tiefe aufsteigen,
Plankton durch ihren Körper und
bewegen sich pulsierend vorwärts.
Auch diese Wesen faszinieren Manfred Wakolbinger und sie werden in
wunderbaren Fotos festgehalten. 2016
ermöglicht er uns Zuschauern mit einer Installation in der
Artbox im Museumsquartier
Installation seine Interpretation
dieser neu entdeckten Welt. Die Artbox ist ein riesiger Glaskubus, ein
überdimensionales Aquarium, in
welchem vor einem riesigen Foto aufsteigender Luftblasen, ein zartes,
linienhaftes Gebilde aus Kupfer
schwebt. Wir bekommen durch das
Glas den Blick ins Innere in eine
Welt die uns Menschen
normalerweise verborgen bleibt.
Wie schon bei den in
den Glassockel, Glaskörper versenkten Kupferarbeiten,
zeigt Wakolbinger hier ein
linien- und zeichenhaftes fragiles Kupfergebilde, dass
frei im Raum schwebt. Ein solches Beispiel ist hier in der
Ausstellung unter dem Titel GALAXIES
zu sehen. Ähnliche Arbeiten
werden als CIRCULATIONS bezeichnet,
was auf seine Beschäftigung mit
Blutgefässen zurück zu führen ist.
Nicht der Blick ins All sondern
ins Innere von Meer, Tier und Mensch führt Manfred Wakolbinger zu
neuen Arbeiten.
Und erneut tut sich
eine Parallele zu den Arbeiten
von Gerhard Kaiser auf, denn
dieser entdeckt nicht nur die
Drucktücher für sich, sondern ein
weiteres Abfallprodukt aus der Druckindustrie. Die
transparenten Folien die
Reprofolien, die für den Druck abdingbar sind. Auch sie sind letztlich
nach dem Druck ein Abfallprodukt, dessen
Transparenz und Inhalt aber
Gerhard Kaiser faszinieren. Diese
Folien werden als Informationsträger,
als Bildmasse modelliert, in Säcke gepackt, in Folienkörper geschlichtet und mit anderen
Folien zu Bildern vernietet.
Parallel dazu entstehen auch Körper aus diesen
Folien, Kuben und
Quader, die dann mit zusätzlichen
Objekten gefüllt werden. Auch das
kann man als transparente Körper, als
Aquarien oder Schaukästen bezeichnen, die einen
Blick ins Innere werfen lassen und zugleich den
Inhalt schützen. Denn
Gerhard Kaiser ist auch ein
Archivar, ein Bildbewahrer und
wenn sie das Eternittableau, die
Arbeit ist mit BILDSCHAFT aus dem
Jahr 2017 betitelt, in der Ausstellung ansehen, so sind auch dort die
arrangierten Bildelemente unter einer
transparenten Kunstharzschicht völlig einsichtig und
zugleich konserviert. Auch die
auf drei Beinen stehende Säule BASIC
PACKING bildet mit den zu einem Rohr geformten
Reprofolien einen Bildkörper, der
einen Blick ins Innere erlaubt.
Hier wird aber der Einblick durch
Eingriffe, in diesem Fall mittels
Bauschaum gesteuert. Es wird
verdeckt, überlagert und freigelegt.
Dieses
Element der Blicksteuerung finden
wir auch bei Manfred Wakolbingers
Arbeiten. Bei manchen Skulpturen werden
gezielt Spiegel und verspiegelte
Oberflächen und Öffnungen eingebaut, die das Bild zurückwerfen. Zugleich
gibt es Öffnungen ausgerichtet
sind.
Das
Vokabular von beiden Künstlern ist
also nicht unähnlich, nur die Herangehensweisen und Ergebnisse sind es.
Beide spielen mit dem Thema des
Zeigens und Verdeckens, bei
Wakolbinger sind es Betonquader
und getönte Gläser, den Inhalt zu
verdecken und Neugierde zu wecken, bei Kaiser sind es Folien, Kunstharze
und Bauschaum, die den Blick ins
Innere steuern.
Und
beide Künstler wissen die neuen
digitalen Werkzeuge des Computers
für sich zu nützen. Wakolbinger
verwendet die Unterwasserfotos der
Salpen und verändert sie digital zu völlig neuen Bildern, die er
REVERSALS nennt, wovon man einige
Beispiele hier in der Ausstellung sehen kann. Oder aber er
generiert damit unglaubliche Filme mit pulsierenden Galaxien und
expandierenden Welten.
Wakolbinger erfüllt sich damit quasi seinen
Jugendtraum- den
Blick ins All. Der
Weg dorthin erfolgt durch
Reduktion der Fotos, indem die
verführerische Farbe entzogen
wird. Übrig bleiben nur die
schwarz-weißen Strukturen der
fotografierten Gebilde.
Für
Gerhard Kaiser tut sich mit der
digitalen Bildspeicherung
ebenfalls eine neue Welt auf. Alles
ist Bild, alles ist unendlich und die Bilder sind immerwährend. Er
verdichtet die Bilddaten, überlagert sie, verbiegt und verändert sie und
knetet alles digital durch, um sie dann in
gezielten Ordnungssystemen auf Plexiglas, Papier und Leinwand
drucken zu lassen. Er geht also den Weg der
Addition. Bei Leinwänden
kommt oft dann noch ein malerischer
Eingriff dazu wie es das Bild
REUSED aus diesem Jahr in der Ausstellung zeigt.
Wie Sie sehen gibt es
in dieser Ausstellung vieles zu
entdecken! Begeben Sie sich auf eine
Reise in den MIKRO und MAKRO - KOSMOS
von Gerhard Kaiser und Manfred Wakolbinger. Viel Vergnügen!